Forschung1. Theorien und MethodenPapst- und Kirchengeschichte

Papst- und Kirchengeschichte

von Claudia Zey (Zürich)

Lesezeit: ca. 5 Minuten

Text: Transkription von Filmaufnahmen

Für die Erforschung der Mittelalterlichen Geschichte waren und sind die Themen „Papst-“ und „Kirchengeschichte“ stets zentral. 

Fresko des Papstes Innozenz III. (um 1219), Kloster San Benedetto in Subiaco (Latium)

Mit Blick auf die politische Geschichte ist das Papsttum vom Hochmittelalter an über Jahrhunderte hinweg die einzige Institution von universaler Größe. Der geographische Radius päpstlichen Einflusses betraf das gesamte Europa und reichte wegen der Kreuzfahrerherrschaften für zwei Jahrhunderte sogar bis in den nahen Osten.

Ungebrochene Kontinuität

Die Faszination an der Papstgeschichte, die traditionell gerade in der deutschen Geschichtswissenschaft weit verbreitet ist, resultiert einerseits aus der ungebrochenen Kontinuität dieser Institution von den Anfängen in Spätantike und Frühmittelalter bis in die heutige Zeit, wo vor allem die Person des Papstes das Medieninteresse eines Weltstars genießt. Andererseits ist die Faszination stark motiviert aus dem epochalen Streit zwischen dem Papsttum und dem römisch-deutschen König, bzw. Kaiser, im 11. Jahrhundert, dem so genannten Investiturstreit, durch den im Nachhinein betrachtet der Niedergang mittelalterlicher Kaiserherrlichkeit eingeleitet wurde und der Aufstieg des Papsttums zur Zentralmacht begann.

Papstgeschichte als Europäische Geschichte

Im Unterschied zu den Forschungsschwerpunkten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts ist die Erforschung der Papstgeschichte in unserer Zeit weniger national verengt. Papstgeschichte wird heute als zentrales Segment der europäischen Geschichte begriffen und dementsprechend im Kontext der politischen Geschichte international untersucht. Dies äußert sich zunächst in einer stärkeren Beteiligung von Mediävistinnen und Mediävisten aus dem nicht-deutschsprachigen Raum an der Grundlagenforschung, d.h. an der Sammlung und Erschließung von original- und abschriftlich überlieferten Papsturkunden.

Weiter wird erforscht, welche Bedeutung dem Papsttum bei der politischen und religiösen Integration des mittelalterlichen Europa zukam. Längst hat man erkannt, dass diese für unser gegenwärtiges politisches Bewusstsein zentrale Frage, nicht mehr allein aus politischen oder kirchenpolitischen Ereigniszusammenhängen heraus erklärt werden darf. Vielmehr spielen hier strukturgeschichtliche und vor allem kommunikationswissenschaftliche Ansätze eine bedeutende Rolle.

Daneben tritt der päpstliche Hof als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum immer mehr in den Mittelpunkt der Forschung und damit zugleich der ungeheure Ausstoß an Schriftlichkeit der päpstlichen Kanzlei und des kurialen Behördenapparates, der sich im Verlauf des 13. Jahrhunderts immer weiter ausdifferenzierte. Als Beispiel sei hier nur auf die so genannte „Pönitentiarie“ verwiesen, das ist jene Behörde, die gemäß ihrer Zuständigkeit für das Buß-, Ablass- und Dispensationswesen sehr gefragt war.

Herausforderungen der Papstgeschichte

Das Reservoir an politikgeschichtlichen, wirtschaftsgeschichtlichen, sozial- und kulturgeschichtlichen Fragestellungen zur Erforschung der Papstgeschichte im Besonderen und der Kirchengeschichte im Allgemeinen ist bei weitem noch nicht erschöpft und wird sich weiter anfüllen, je zügiger und besser die Erschließung des einschlägigen, hauptsächlich in lateinischer Sprache verfassten, Quellenmaterials voranschreitet.

Die Quellenerschließung voran zu treiben ist gleichzeitig die größte Herausforderung der internationalen Forschung, weil die finanziellen Mittel nicht etwa nach dem Verursacherprinzip vom Vatikan gefordert werden können, sondern in der Regel durch staatlich getragene Forschungsinstitutionen, wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft, bereitgestellt werden müssen.

Die zweite Herausforderung besteht darin, den wissenschaftlichen Austausch derer zu gewährleisten, die einzelne Aspekte des großen Forschungsgebietes ‚Papsttum’ bearbeiten. Angesichts des weltweiten Interesses an diesem Thema ist eine lückenlose Vernetzung illusorisch. Im europäischen Rahmen gibt es aber doch vielversprechende Ansätze, wie die regelmäßigen Arbeitstreffen all jener Bearbeiterinnen und Bearbeiter, die an der Erschließung der Papsturkunden bis zum Ende des 12. Jahrhunderts beteiligt sind oder zwei von der deutschen Forschungsgemeinschaft über mehrere Jahre finanzierte Netzwerke jüngerer Forscherinnen und Forscher. Das eine Netzwerk befasst sich mit dem Verhältnis von universalem Papsttum und europäischen Regionen im Hochmittelalter und das andere Netzwerk fokussiert das mittelalterliche Kardinalskollegium, dessen exklusive Stellung im päpstlichen Umfeld auch der heutigen Öffentlichkeit anlässlich der letzten Papstwahl im April 2005 wieder besonders deutlich geworden ist.

Die dritte Herausforderung sehe ich darin, Themen der Kirchen- und Papstgeschichte regelmäßig in der universitären Lehre zu präsentieren und ihnen damit den Stellenwert einzuräumen, den die Kirche im Mittelalter hatte. Nun mag die Einsicht in die geschichtliche und kulturelle Relevanz von Kirche und Papsttum in Bayern stärker vorhanden sein als in anderen Regionen. Es geht dabei aber weniger um ein Bekenntnis zu unseren kulturellen Wurzeln, als vielmehr um die Einsicht in ein gänzlich anderes Gesellschaftsverständnis, in dem Kirche und Staat nicht als Gegensatz verstanden wurden, sondern als vielfältig miteinander verwobene und auf einander angewiesene Triebkräfte für die Gestaltung und das Funktionieren der mittelalterlichen Sozialordnung.

Zitiervorschlag
Claudia Zey: Papst- und Kirchengeschichte, in: Mathias Kluge (Hg.), Mittelalterliche Geschichte. Eine digitale Einführung (2007). URL: https://mittelalterliche-geschichte.de/zey-claudia-01