Format und Layout
von Irmgard Fees (München)
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Die Analyse des Layouts mittelalterlicher Texte kann zu Erkenntnissen von großer Tragweite führen, die nicht nur für die Urkundenlehre und Schriftgeschichte, sondern auch für politikgeschichtliche, sozialgeschichtliche und im weitesten Sinne kulturgeschichtliche Fragestellungen fruchtbar gemacht werden können.
Film: Format und Layout mittelalterlicher Handschriften
Layout und materielle Voraussetzungen
Format und Layout eines Textes sind vor allem von zwei Faktoren abhängig: Von dem Schriftträger und der darauf unterzubringenden Textmenge, sowie von der Art des Textes und dem Zweck dem er dienen soll. Papyrus hat aufgrund des Herstellungsprozesses eine begrenzte Breite. Um umfangreiche Textmengen unterzubringen, war es möglich, durch Aneinanderkleben einzelner Papyrusblätter Rollen zu erzeugen, sogenannte Rotuli. Diese konnten mehrere Meter lang sein.
Die Größe eines Pergamentbogens ist durch die Ausdehnung der Tierhaut beschränkt und nicht beliebig variierbar. Urkundentexte wurden zumeist auf einem einzigen Bogen untergebracht. Für längere Texte konnte man mehrere Häute zu längeren Rotuli aneinandernähen, was in geringem Maße auch geschah. Ein berühmtes Beispiel für einen solchen Rotulus ist etwa die Heiratsurkunde der byzantinischen Prinzessin Theophanu, Gemahlin Ottos II., von 976. Umfangreiche Handschriften dagegen fanden in aus Einzelblättern zusammengebundenen Codices Aufnahme.
Schreiberabsicht: Layout und Funktion
Noch wichtiger für das Layout, also die Anordnung und Aufmachung eines Textes, war aber die Absicht, die ein Schreiber mit seinem Text verfolgte. Nach dieser Absicht richtete sich die gesamte Gestaltung des Textes: Die Breite der Ränder, die Verteilung des Textes auf dem Blatt, die Abstände zwischen den Zeilen, die Größe der Schrift, die Verwendung von Gliederungsmitteln wie von Überschriften und Absätzen, Zeichen und Symbolen.
Orientierung im Text: Das Layout eines Güterverzeichnisses
Der Text eines Güterverzeichnisses des Klosters Hersfeld in einer Handschrift der 12. Jahrhunderts ist deutlich und klar, aber ohne größeren Aufwand geschrieben. Die Schrift ist klein und eng, die Zeilenabstände gering, man wollte möglichst viel Text auf geringem Raum unterbringen. Der einzige Schmuck sind rot hervorgehobene Buchstaben. So tragen die unterschiedlichen Textteile rote Überschriften. Jedes Mal wenn ein neues Besitztum genannt wird, wurde der erste Buchstabe des Eintrags rot geschrieben. Die Ortsnamen sind zwar schwarz geschrieben, aber mit roten Strichen oder Punkten zusätzlich hervorgehoben. Der Schmuck dient also allein der besseren Gliederung und leichten Auffindbarkeit der einzelnen Einträge. Es handelt sich um eine Gebrauchshandschrift, bei der es auch nicht darauf ankam, dass das allerbeste Pergament verwendet wurde.
Plakate des Mittelalters: Das Layout einer Herrscherurkunde
Grundsätzlich anders tritt uns eine hochmittelalterliche Herrscherurkunde entgegen. Das Layout ist sehr groß, jeweils mehr als einen halben Meter hoch und breit, und äußerst aufwendig gearbeitet. Die Zeilenabstände betragen mehrere Zentimeter und die breiten Zwischenräume zwischen den Zeilen sind durch übergroße, dekorativ gestaltete Oberlängen der Buchstaben gefüllt. Orts- und Personennamen im Text werden durch Kapitälchen hervorgehoben. Die auffälligste Schrift ist jedoch die in der ersten Zeile und den beiden Unterschriftszeilen verwendete sogenannte Elongata, eine Gitterschrift, bei der die Buchstabenschäfte eng aneinandergerückt und auf eine Höhe von mehreren Zentimetern in die Länge gezogen werden. Optischer Blickfang der Urkunde sind das nahezu zentral platzierte Monogramm und das rechts unten angebrachte Siegel, beides Elemente, die den Herrscher repräsentieren. Das Monogramm vereint Namen, Titel und Legitimationsformel des Kaisers in graphisch verdichteter Form. Das Siegel zeigt ihn in frontaler Darstellung selbst, auf einem Thron sitzend, gekrönt, mit den Insignien seiner Herrschaft in den Händen. Ihre Wirkung entfaltete diese Urkunde für jeden Betrachter, gleich ob er lesen konnte oder nicht, ob er Latein verstand oder nicht. Peter Rück, ein bedeutender Urkundenforscher des 20. Jahrhunderts, hat das treffende Wort von den Urkunden als den „Plakaten des Mittelalters“ geprägt.
Dokumentation im Vordergrund: Das Layout einer Privaturkunde
Wiederum ganz anders tritt unser drittes Beispiel auf, eine sogenannte Privaturkunde des 12. Jahrhunderts. Sie ist mit ihren Maßen von etwa 17 mal 23 Zentimetern eher klein, nicht regelmäßig zugeschnitten und weist keinerlei Zeichen oder Symbole auf, wenn man vom beglaubigenden Siegel absieht. In der ersten Zeile ahmt sie mit der Verwendung einer Elongata, der verlängerten Schrift, ein Merkmal der Herrscherurkunde nach. Insgesamt ist diese Urkunde jedoch vorrangig Rechtsdokument, zur Dokumentation eines Rechtsvorgang bestimmt und nicht zur repräsentativen Selbstdarstellung des Ausstellers konzipiert. Zwischen den beiden hier präsentierten Gegenpolen, der prächtigen, nicht zuletzt auf optische Wirkung hin berechneten Kaiserurkunde und der relativ unaufwendig gestalteten Privaturkunde, gibt es viele Zwischenstufen und unterschiedliche Ausprägungen. Es gibt auch noch viel bescheidener gestaltete Privaturkunde als das hier gezeigte Exemplar.