Geschichte der MGH

von Rudolf Schieffer (München)

Lesedauer: ca. 5 Minuten

Text: Transkription von Filmaufnahmen

An den Monumenta wird seit beinahe 200 Jahren gearbeitet. Das Institut kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken.

Film: Geschichte der MGH

Gründung in Frankfurt

Freiherr vom Stein (Gemälde v. J. C. Rincklake)

In München sind die Monumenta nicht von Anfang an gewesen. Gegründet wurden sie 1819 in Frankfurt auf Initiative des Freiherrn vom Stein, der nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon und dem Wiener Kongress die Erinnerung an das untergegangene Reich der mittelalterlichen Kaiser als die gemeinsame Geschichte aller Deutschen wiederbeleben wollte. Zu diesem Zweck sollten die Schriftquellen aus der Zeit von 500 bis 1500 gesammelt und in kritischer Bearbeitung gedruckt zugänglich gemacht werden.

Verankerung in staatlicher Obhut

Die Aufgabe übernahm zunächst ein privater Verein namens Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, der sich auf Zuwendungen von Mäzenen, mit der Zeit auch auf Beiträge der deutschen Bundesstaaten stützte. Erst nach Bismarcks Reichsgründung konnte eine dauerhafte Verankerung in staatlicher Obhut erreicht werden. 1875 bildete sich mit Sitz in Berlin eine Zentraldirektion aus sachkundigen Vertretern der Berliner, der Münchener und der Wiener Akademie sowie weiteren kooptierten Fachleuten, die die Leitung des Unternehmens einem gewählten hauptberuflichen Vorsitzenden übertrug. Darüber hinaus kam die Reichsregierung für die laufenden Arbeiten der MGH, in Einzelfällen auch für die feste Anstellung von Mitarbeitern auf. Im Dritten Reich mussten die Monumenta 1935 die Umwandlung zum Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde hinnehmen, dessen Präsident nicht gewählt, sondern vom zuständigen Reichsminister bestimmt und von keiner Zentraldirektion mehr beraten wurde.

"Berliner Mittelalterkreis"

Neubeginn nach 1945

Arbeit an einem Handschriftenfragment (Schloss Pommersfelden / mit Pfeife: Walther Holtzmann)

Der Neubeginn nach 1945 vollzog sich in Bayern, nachdem während des Krieges die wertvolle Bibliothek der MGH samt einem Teil der Mitarbeiter aus dem bombengefährdeten Berlin ins Schloss Pommersfelden bei Forchheim ausgelagert worden war. Von dort führte der Weg nach München, wo bereits 1946 die Zentraldirektion durch Vertreter der Akademien in Berlin, München, Wien und nun auch Göttingen, Heidelberg und Leipzig reorganisiert wurde und einen neuen Präsidenten wählte, der zum bayerischen Staatsbeamten ernannt wurde. Die Finanzierung der MGH, die sich seitdem auch als Deutsches Institut für Erforschung des Mittelalters bezeichnen, übernahm zeitweilig die Gesamtheit der westdeutschen Länder. Sie liegt seit 1972 allein beim Freistaat Bayern, der den MGH 1963 zur Sicherung ihrer Selbständigkeit die Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen hatte. Untergebracht ist das Institut (mit rund 20 Personalstellen) im Gebäude der Bayerischen Staatsbibliothek.

Akademien, Gastforscher, Ehrenamtliche

Daneben beteiligen sich die in der Zentraldirektion vertretenen Akademien am Programm der MGH, indem sie Projekte grösseren Umfangs in eigener Regie übernehmen. Derzeit bestehen Arbeitsstellen in Berlin, Düsseldorf, Leipzig, Mainz, München und Wien. Ausserdem ist in dreijährigem Turnus ein vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierter Gastforscher am Institut in München tätig. Schliesslich gibt es eine grössere Anzahl von ehrenamtlich tätigen freien Mitarbeitern im In- und Ausland, die an Editionen für die MGH sitzen. Durch die wiederholte Aufnahme von einschlägigen Dissertationen in ihre Publikationsreihen leisten die Monumenta auch einen Beitrag zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Die MGH in der Preußischen Staatsbibliothek (Am Tisch vorne: Karl Jordan / Am Regal: Carl Erdmann)

Internationale Anerkennung

Mitarbeiterzimmer (v.l.n.r. K. Reindel, K. E. Henke, F. Weigle)

Umfang und Schwierigkeit des Gründungsauftrags, die Quellentexte des Mittelalters umfassend zu bearbeiten, stellten sich erst mit der Zeit heraus, nachdem man daran gegangen war, in den Bibliotheken und Archiven ganz Europas die überlieferten Handschriften und Urkunden zu sichten und im Wortlaut zu vergleichen. Schrittweise wurden methodische Regeln entwickelt, um eine möglichst authentische, d. h. von späteren Entstellungen und Zusätzen freie, Textgestalt der Quellen zurückzugewinnen und mit entsprechenden Erläuterungen herausgeben zu können. Die seit 1826 erscheinenden Editionen der MGH fanden rasch internationale Anerkennung und wurden während des 19. Jahrhundert zum Vorbild für ähnliche Unternehmungen in anderen Ländern Europas.

Editionen der MGH

Standen zunächst die Werke der mittelalterlichen Geschichtsschreiber sowie Rechtsquellen im Vordergrund, die in grossen Folianten zusammengefasst wurden, so traten nach 1875 in handlicherem Format auch die Königs- und Kaiserurkunden, Briefsammlungen und lateinische Dichtungen, ferner spezielle Serien mit Quellen aus der Völkerwanderungszeit, mit kirchenpolitischen Streitschriften, mit Dokumenten zur Verfassungsgeschichte oder auch mit deutschsprachigen Chroniken hinzu. Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat das spätere Mittelalter wachsende Beachtung gefunden, was sich in zusätzlichen Reihen mit der Chronistik und den „Staatsschriften“ dieser Zeit, mit den deutschen Rechtsbüchern seit dem Sachsenspiegel und mit „Quellen zur Geistesgeschichte“ ausdrückt. Zur Erschliessung liturgischer Gedenkbücher (mit Tausenden von Personennamen) wurde die Darstellungsform kommentierter Faksimile-Ausgaben entwickelt. Jüngst haben die MGH damit begonnen, in Kooperation mit der Israelischen Akademie der Wissenschaften „Hebräische Texte aus dem mittelalterlichen Deutschland“ herauszubringen. Mehrfach sind in letzter Zeit auch Editionen in Verbindung mit einer deutschen Übersetzung erschienen.

Quellenausgaben in verschiedenem Format
Zitiervorschlag
Rudolf Schieffer: Geschichte der MGH, in: Mathias Kluge (Hg.), Mittelalterliche Geschichte. Eine digitale Einführung (2007). URL: https://mittelalterliche-geschichte.de/schieffer-rudolf-01