Quellenerschließung4. Weitere Erschließungs- und EditionsunternehmenDie Werke des Österreichischen Bibelübersetzers – von der Handschrift bis zur Edition

Die Werke des Österreichischen Bibelübersetzers – von der Handschrift bis zur Edition

von Domenic Peter und Karen Wenzel (Augsburg)

Lesezeit: ca. 14 Minuten

Rund 200 Jahre vor Luther übersetzte ein österreichischer Anonymus erstmals weite Teile der lateinischen Bibel in die mittelhochdeutsche Volkssprache. Das Editions- und Forschungsprojekt ›Der Österreichische Bibelübersetzer. Gottes Wort Deutsch‹ startete im Jahr 2016 als interakademisches Langzeitprojekt der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Die Projektleitung formiert sich aus Freimut Löser von der Universität Augsburg, Jens Haustein von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Martin Schubert von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften bzw. der Universität Duisburg-Essen. Die beiden Arbeitsstellen befinden sich an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und über die Bayerische Akademie der Wissenschaften an der Universität Augsburg.

Eine künstlerische Annäherung an den anonymen Autor, der unter dem Namen »Der Österreichische Bibelübersetzer« bekannt ist.
© Der Österreichische Bibelübersetzer. Gottes Wort deutsch

Ziel des Projektes ist es, die Texte des Österreichischen Bibelübersetzers zu edieren, d. h. Ausgaben zu erstellen, die sich für die wissenschaftliche Benutzung eignen. Darüber hinaus wird im Zuge dieser Editionen auch die Überlieferungslage aufgearbeitet und der Kontext erforscht, in dem die Texte entstanden sind. Hierbei wird Fragen nachgegangen wie: Was kann über den Verfasser gesagt werden, welche Quellen hat er benutzt? Gibt es Zentren der Rezeption? Wo wurden die Texte besonders gerne gelesen? Im Folgenden soll vorgestellt werden, welche Arbeiten momentan im Fokus stehen und mit welchen Mitteln und Programmen diese umgesetzt werden. Im Mittelpunkt stehen hier insbesondere die Arbeitsschritte von der mittelalterlichen Handschrift bis zur fertigen Edition.

Der Österreichische Bibelübersetzter

Der so genannte »Österreichische Bibelübersetzer« wirkte um 1330/40 in den Gebieten des heutigen Österreich, wo er weite Teile der lateinischen Bibel, der Vulgata, in die deutsche Volkssprache übertrug – und das schon etwa 200 Jahre vor Luther. Seine Übersetzungen und Texte erlangten teilweise große Reichweite: Heute sind sie in rund 120 Handschriften überliefert. Allerdings handelt es sich beim Bibelübersetzer um einen Anonymus; sein Name ist heute nicht mehr bekannt, da er in keinem seiner Werke genannt wird. Das war im Mittelalter nichts Ungewöhnliches, so ist beispielsweise auch kein Verfasser des ›Nibelungenliedes‹ überliefert. Alles, was über den Österreichischen Bibelübersetzer gesagt werden kann, ist aus seinen eigenen Texten zu ziehen. So spricht er beispielsweise davon, dass er nicht geweiht, also kein Priester sei. Er bezeichnet sich selbst als ungelehrten layen, und auch die Information, dass er in hochen schuelen nicht gestannden sei, zeigt, dass es sich nicht um einen Priester gehandelt haben dürfte, er also keine Ordenshochschule besucht hat. Dass er sich als Laie bezeichnet, bedeutet aber nicht, dass er ungebildet war, im Gegenteil: Er konnte überdurchschnittlich gut Latein. Dieses setzte er ein, um die Bibel zu übersetzen und sie für die anderen Laien, d. h. alle außerhalb des Priesterstandes, auszulegen und in Form von Kommentaren verständlich zu machen, wofür er von der Geistlichkeit durchaus auch kritisiert wurde. Hiervon berichtet er selbst in diversen Vorworten:

Vnd sprechent auch ettliͤch aus hochfart vnd aus neid, ich sey zu krankch an der kunst zu disen sachen, wann ich sey in hochen schuelen nicht gestannden. Das ist war. Was aber geprestens an mir ist, das mag der heilig geist mit seinen genaden vnd mit wol gelertter leẅt hilff vnd rat wol erfullen. Doch hab ich manigen erchannt, der in hochen schuelen gestannden ist vnd ist in der ainualt herwider koͤmen vnd er aus fuer, er hab dann gelernet schiͤrmen oder herphen oder die gugel maisterleich stellen, vnd lassent die heilig chunnst der heiligen schrifftt vnderwegen. (Löser, Vorrede I, S. 291f.)

Im Gegenzug kritisierte er diese Geistlichkeit, indem er sie als neidisch und hochmütig bezeichnete.

Die Texte

Die Texte des Österreichischen Bibelübersetzers sind, wie bereits erwähnt, in rund 120 Handschriften überliefert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass es sich hierbei um 120 verschiedene Texte handelt: War ein Text im Mittelalter beliebt, so wurde er per Hand kopiert. Es gab also zunächst nur eine Handschrift und in der Folge dann immer mehr, indem Kopien von Kopien angefertigt wurden. Dies geschah zumeist in Klöstern für den Eigengebrauch. Aber auch der Austausch von Handschriften zwischen Klöstern war keine Seltenheit: Man borgte sich etwa Handschriften von einem benachbarten Kloster und ließ sie kopieren, um den eigenen Bibliotheksbestand zu erweitern. Solche Kopien wurden von Mönchen aber etwa auch von weltlichen Auftragsschreiber angefertigt.

Die wichtigsten Texte des Österreichischen Bibelübersetzers sind die folgenden:

  • Das Evangelienwerk, das heute aus rund 30 Textzeugen bekannt ist und spätestens 1330 zumindest in seiner Erstfassung abgeschlossen gewesen sein dürfte.
  • Des Weiteren das Alttestamentliche Werk, das die alttestamentlichen Bücher Daniel, Genesis, Exodus, Tobias, Hiob sowie eine Bearbeitung von Proverbia und Ecclesiastes enthält. Das Alttestamentliche Werk findet sich in insgesamt sieben Textzeugen und ist wahrscheinlich nach dem Evangelienwerk entstanden.
  • Darüber hinaus gibt es noch den Psalmenkommentar; hier werden die Psalmen systematisch übersetzt und ausgelegt. Der Text ist heute aus über 70 Handschriften bekannt.

Das Evangelienwerk und der Psalmenkommentar liegen in verschiedenen Fassungen vor: Im Falle des Evangelienwerkes handelt es sich um zwei Fassungen, beim Psalmenkommentar um drei. Diese beiden Texte werden die Grundlage für die folgenden Ausführungen bilden. Das Evangelienwerk steht momentan im Fokus des Editionsprojekts; es handelt sich dabei um eine Evangelienharmonie: Die vier Evangelien, die teilweise die gleichen Geschichten überliefern, wurden vom Bibelübersetzer in eine chronologische Erzählung gebracht und mit zusätzlichen Informationen aus apokryphen Texten versehen. So sind hier etwa Geschichten über die Kindheit Jesu, aus der ›Kindheit Jesu‹ Konrads von Fußesbrunnen, zwischen dem Bibeltext überliefert.

Aufbau der Handschriften

Die Texte in den Handschriften des Österreichischen Bibelübersetzers folgen stets einem konkreten und übersichtlichen Aufbau. Dieser kann sich innerhalb der Handschriften unterscheiden, dient aber in allen Fällen bestimmten Funktionen. In der ältesten Handschrift findet sich zuerst  eine Kurzzusammenfassung, sozusagen eine Überschrift, die sich durch ihre rote Tinte vom restlichen Text abhebt. Danach folgt auf Latein das »Incipit«, also der Beginn des Bibelverses oder der Bibelverse der entsprechenden Stellen. Darunter folgt die Übersetzung der Passage in deutscher Sprache – oft mit den einleitenden Worten »Die Ewangeli deutsch« – und schließlich die Auslegung der Bibelstelle, die meist mit dem Wort »Glosa« eingeleitet wird. Dem Leser der Handschrift wird somit auf einen Blick klar, in welchem Teil des Aufbaus er sich befindet und ob es sich bei den entsprechenden Passagen um die reine Übersetzung der Bibelstellen oder um die Erläuterungen des Verfassers handelt.

Schaffhausen, Stadtbibliothek, Cod. Gen. 8, fol. 117v

Fassungen

Schaffhausen, Stadtbibliothek, Cod. Gen. 8, fol. 6v

Vom Evangelienwerk des Österreichischen Bibelübersetzers sind heute, wie bereits erwähnt, zwei Fassungen bekannt. Fassungen entstehen, indem ein beliebter Text kopiert und im Zuge des Kopierens (über Jahre oder Jahrzehnte) umgearbeitet wird. Zwar bleibt eine Kopie als der gleiche Text erkennbar, unterscheidet sich jedoch in so großem Maß von ihrer Vorlage, dass man davon spricht, dass beide Versionen einem eigenen ‚Gestaltungswillen‘ unterlagen. Nicht immer kann ermittelt werden, welche Version älter ist. Dies ist im Falle des Evangelienwerkes  bekannt. Die älteste erhaltene Handschrift ist die Bearbeitungsfassung. Diese Fassung trägt den Titel *SK. Die dazugehörige Handschrift S (Schaffhausen, Stadtbibliothek, Cod. Gen. 8) kann auf ca. 1340 datiert werden – der Verfasser hat zu diesem Zeitpunkt also mit ziemlicher Sicherheit noch gelebt. Sie überliefert den Inhalt nicht nur als Text, sondern teilweise auch als Bildprogramm an den Seitenrändern. Allerdings ist die Handschrift nicht mehr vollständig. Mehrere Blätter fehlen.

Weitere Handschriften

Drei weitere Vollhandschriften überliefern ebenfalls diese Fassung: Sie können ‚einspringen‘, wenn die älteste Handschrift ausfällt. Zwei dieser Handschriften liegen in der Bibliothek des Stiftes Klosterneuburg und sind ins erste Viertel des 15. Jahrhunderts zu datieren (K1: Klosterneuburg, Stiftsbibliothek, Cod. 4 und K2: Klosterneuburg, Stiftsbibliothek, Cod. 51). Die vierte erhaltene Vollhandschrift der Bearbeitungsfassung ist Nü (Nürnberg, GNM, Löffelholz-Archiv D 654). Die Handschrift aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts enthält das Evangelienwerk neben weiteren Texten und dürfte auf die gleiche Vorlage wie K1 zurückgehen. Hinzu kommt ein Codex Discissus (lat. discindere = nhd. zerreißen, zerschneiden), von dem heute nur noch wenige ganze Blätter sowie einige Fotos mit kurzen Textpassagen erhalten sind. Auch diese Fassung ist in einigen Exzerpthandschriften überliefert.

Die ältere Fassung, die Erstfassung *Gö, ist nur aus einer sehr jungen Handschrift bekannt. Die Vollhandschrift aus dem Stift Göttweig (Göttweig, Stiftsbibliothek, Cod. 222 (rot)), die in weiten Teilen auch die Leithandschrift der Edition ist, ist relativ jung. Durch Wasserzeichenanalyse von Maria Stieglecker lässt sie sich ins 6. Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts datieren. Die Fassung *Gö ist dabei deutlich reichweitenstärker, es sind mehr Textzeugen bekannt. Diese sind aber heute nur noch in acht Fragmenten und zehn Exzerpthandschriften überliefert. Der Hauptpunkt, in dem sich die Fassungen unterscheiden, ist die Anordnung der einzelnen Kapitel. Damit ist zwar der gleiche Inhalt gegeben, er ist aber unterschiedlich angeordnet. Doch auch innerhalb der Kapitel gibt es Umstellungen: Oft ordnete der Bearbeiter – ob es der Verfasser selbst war oder jemand anders – die Absätze neu an.

Göttweig, Stiftsbibliothek, Cod. 222(rot), fol. 22v

Edition und Umsetzung im Forschungsprojekt

Die Edition des Evangelienwerkes und später auch die des Psalmenkommentars wird hybrid sein, das heißt, es wird sowohl eine Printversion als auch eine Webversion geben. Die Edition folgt dabei dem Leithandschriftenprinzip: Der Haupttext der Edition der Fassung *SK folgt der ältesten (und besten) Handschrift S. Nur wo diese ausfällt, wird im Haupttext eine der anderen Handschriften herangezogen und via Kursivierung gekennzeichnet. Allerdings überliefern die anderen Handschriften häufig geringfügig andere Worte als der Haupttext. Diese werden im so genannten »Apparat« vermerkt, der in gedruckten Editionen zumeist unter dem Haupttext steht.

Um eine solche Edition erstellen und später auch online präsentieren zu können, werden zunächst die Handschriftendigitalisate benötigt, die teilweise eigens für das Projekt angefertigt wurden. Beim Evangelienwerk handelt es sich dabei, wie bereits erwähnt, um 30 Handschriften; für die Fassung, die in Augsburg bearbeitet wird, die Fassung *SK, sind es fünf Handschriften. Mittels der Digitalisate werden die Transkriptionen erstellt. Hierfür kommt die KI-gesteuerte Transkriptions-Software namens »Transkribus« zum Einsatz. Transkribus bietet die Möglichkeit, Handschriften mit vielen Blättern möglichst unkompliziert zu transkribieren und im Zuge dieses Vorgangs die grundlegenden Informationen ‚in den Computer‘ zu bringen, die später für die Edition und die Darstellung im Web benötigt werden. Die Edition selbst erfolgt schließlich im XML-Editor oXygen mittels des Add-Ons ediarum.MEDIAEVUM, das in Kooperation mit TELOTA speziell für das Projekt geschaffen wurde. Dieses ermöglicht einen digitalen und TEI-konformen Editionsvorgang mittels Klick auf einen Button, was auch technisch nicht so versierten Personen die Editionsarbeit ermöglicht: Es muss nicht, aber es kann im Code gearbeitet werden. Auf diese Weise entstehen nach und nach die Grundlagen für die Präsentation auf einer Website.

Transkribus

Bei Transkribus handelt es sich um eine KI-gestützte Plattform sowie Software, die für die automatische Erkennung von Handschriften und alten Drucken entwickelt wurde. Getragen wird diese Plattform von der READ-COOP mit zentralem Sitz an der Universität Innsbruck. Das Programm eignet sich besonders für die Erkennung von umfangreicheren Handschriften wie sie im Forschungsprojekt bearbeitet werden.

Der Arbeitsprozess beginn damit, dass die Digitalisate – also Bilddateien von jeder Handschriftenseite – in das Programm in eine persönlichen collection hochgeladen werden, um dort bearbeitet werden zu können. Der Ersteller dieser collection kann weiteren Personen Zugriff gewähren, die dann sogar zeitgleich an den Handschriften arbeiten können. Die ersten Seiten jeder Handschrift müssen komplett händisch bearbeitet werden, in welchem Umfang unterscheidet sich nach Qualität der Schrift. Sobald ein gewisser Materialstand erreicht ist, kann ein so genanntes »Training« gestartet werden, mithilfe dessen die in das Programm integrierte künstliche Intelligenz in das Transkribieren des vorliegenden Schriftbilds eingelernt wird.

»Training« von Transkribus

Für jede Handschriftenseite müssen händisch die sogenannten »text regions« ausgezeichnet werden, also diejenigen Seitenbereiche, die Text enthalten. Im nächsten Schritt erkennt das Programm automatisch die Textzeilen, die in diesen Bereichen enthalten sind. Bei diesem Vorgang werden die Zeilen des Digitalisats mit den Zeilen der Transkription verknüpft. Bei einem späteren Export bleibt diese (nach Anpassung sogar pixelgenaue) Verknüpfung bestehen und kann zum Beispiel im Rahmen der Online-Präsentation genutzt werden.

Transkribus; ausgezeichnete Textzeilen für Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. fol. 1310, fol. 60r

Nun kann die automatische Erkennung des Textes gestartet werden. Diese Erkennung basierte ursprünglich auf HTR. Seit kurzem wird die PyLaia-Engine eingesetzt. Die PyLaia-Engine erlaubt es dem Anwender, bestimmte Parameter selbst einzustellen. Auslesemodelle, welche auf der Basis des Trainings einer bestimmten Handschrift angefertigt wurden, können immer auch bei weiteren Dateien und Handschriften angewendet werden. Dies bietet den Vorteil, dass unterschiedliche Texte mit sehr ähnlicher Schrift – im Idealfall möglicherweise sogar vom gleichen Schreiber – mit dem gleichen Modell ausgelesen werden können, ohne dass die Fehlerquote markant ansteigt. Somit kann ein erneutes händisches Training der zweiten Handschrift eingespart werden.

Eine Überprüfung der automatischen Transkription ist in jedem Fall nötig, da die Software zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht perfekt funktioniert, was auch der Varianz innerhalb einer Handschrift geschuldet ist. Bei entsprechendem Training kann die Fehlerquote jedoch auf unter 5% sinken. Die Zeitersparnis bei der Arbeit mit diesem Programm ist signifikant, zumal das Auszeichnen der Metadate die Durchsicht und Kontrolle durch einen menschlichen Bearbeiter ohnehin erforderlich macht.

Metadaten

Ein weiterer Nutzen, den die Software bietet, ist die zur Transkription parallel erfolgende Auszeichnung von Metadaten. Für die Edition wie auch die spätere Präsentation und Bearbeitung sind neben dem reinen Text der Werke auch weitere Randdaten relevant. Unter anderem werden Elemente des Layouts der Handschriften, aber auch Informationen wie Personen- oder Ortsnamen sowie die Angabe von zitierten Bibelstellen bei der Bearbeitung mit aufgenommen. Um die Texte später auch für alle Bereiche zugänglich machen zu können, ist beispielsweise auch die Auflösung von Abbreviaturen, also in den Texten abgekürzter Wörter, notwendig.

Das Auszeichnen, also das tagging, wird über spezielle tags durchgeführt. Einige dieser tags, welche allgemein für die meisten Handschriften relevant sind, sind von Transkribus bereits vorgegeben. Für individuelle Wünsche können sie jedoch auch von jedem Benutzer eigenständig und unkompliziert neu erstellt werden. Über eine spezielle Oberfläche können die für einen selbst relevanten tags in einer separaten Liste für schnelle Anwendung zusammengestellt werden. Über in den tags enthaltene Attribute und deren Werte werden die Informationen aufgenommen und gleich in Kategorien eingeteilt.

Transkribus, ausgelesene Handschriftenseite mit Auszeichnung der Metadaten für Berlin, Staatsbib-liothek, Ms. germ. fol. 1310, fol. 60r

Gerade für das Forschungsprojekt um den Österreichischen Bibelübersetzer eignet sich Transkribus aufgrund seiner Auslegung auf große Massen an handschriftlichen Texten sowie der zahlreichen Einstellungen und Anpassungen an individuelle Bedürfnisse.

Von Transkribus zu ediarum.MEDIAEVUM

Bei ediarum.MEDIAEVUM handelt es sich um eine Anwendung, die es erlaubt, Text so in digitalen Code zu verpacken, dass er von einem Webbrowser gelesen und ausgegeben werden kann. Ediarum.MEDIAEVUM ist allerdings kein eigenständiges Programm, sondern ein so genanntes »Plug-in«, also eine Software-Erweiterung, die für den XML-Editor oXygen installiert werden kann. Bei diesem handelt es sich um eine Software, die das Arbeiten mit Code erlaubt und in diesem Fall explizit auf XML ausgerichtet ist. XML steht für »Extensible Markup Language« und bezeichnet eine Auszeichnungssprache, mithilfe derer eine Textdatei mit so genannten »tags« versehen werden kann, die, wie bereits gesehen, zusätzliche Informationen zum Inhalt einer Textdatei liefern. Je nach Zweck können diese tags dabei unterschiedliche Gestalt annehmen:

 

<b>Fett</b>

 

Der hier beispielhaft angeführte tag besteht insgesamt aus drei Elementen: Den beiden Beginn und Ende des tags markierenden <b>-Elementen, wobei der Schrägstrich signalisiert, dass der tag an dieser Stelle abgeschlossen ist, sowie dem durch die <b>-Elemente eingeschlossenen Text (»Fett«); »b« steht dabei für »bold« und signalisiert dem Webbrowser, den Text an dieser Stelle fett wiederzugeben:

 

Fett

 

Nach diesem Muster werden bei einem vorgefertigten Text Überschriften, Absätze und sonstige wie auch immer zu kennzeichnende Elemente mit tags markiert, aus denen der Webbrowser schließlich den vollständig formatierten Text generiert. Wichtig für die Arbeit mit XML ist nun, dass sich hier – beispielsweise im Gegensatz zu der Programmiersprache HTML, die aus vorgefertigten tags besteht – eigene tags definieren lassen. Dies ist insofern wichtig, als die Struktur einer mittelalterlichen Handschrift, wie bereits in der Vorarbeit mit Transkribus gesehen, sehr komplex ist und dementsprechend ganz andere Anforderungen an tags hat als ein ‚normaler Text‘, der lediglich den beispielhaft angeführten Fettdruck oder Kursivierungen in sich verankert. Exemplarisch hierfür kann der Personennamen-tag stehen, der im Gegensatz zu dem vorangegangenen Beispiel eine noch etwas komplexere Struktur aufweist:

 

<persName><note type=“editorial“>Herodes der Große</note>Herodes</persName>

 

Der Personenname aus der Handschrift, in diesem Fall »Herodes«, wird dabei von zwei Personennamen-Elementen (<persName>) eingeschlossen und mittels einer spezifisch auf den Editionsprozess ausgerichteten Kommentar-Funktion (<note> bzw. <note type=“editorial“>) um die Bezeichnung ergänzt, die letztlich in einem Personennamen-Register erscheinen wird, in diesem Fall »Herodes der Große«.

Export und transformierte Transkription

Die eigentliche Editionsarbeit findet also in oXygen statt. Grundlage hierfür bilden die in Transkribus angefertigten Handschriftentranskriptionen, die zu diesem Zweck zunächst aus Transkribus exportiert bzw. in Oxygen importiert werden müssen. Hierfür stellt Transkribus den so genannten »Client Export« zur Verfügung, der dem Benutzer verschiedene Möglichkeiten bietet, so beispielsweise den Export als Word- oder PDF-Datei; für die Arbeit in oXygen wird an dieser Stelle die Option »TEI« gewählt. TEI steht für »Text Encoding Initiative« und bezieht sich einerseits auf die Bezeichnung einer Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die digitale Darstellung von Texten innerhalb der Geistes- und Sozialwissenschaften zu standardisieren, andererseits aber auch auf das gleichnamige Dokumentenformat, das hier gewählt wird. Wichtig ist zudem, dass alle bereits in Transkribus gesetzten tags in den Exportvorgang miteingeschlossen werden.

Client-Export in Transkribus

Die transformierte Transkription

Die exportierte Datei, in diesem Fall ein Kapitel des Psalmenkommentars des Österreichischen Bibelübersetzers, kann nun in oXygen geöffnet werden. Nachdem diese zunächst ein bereits von Seiten des Projektes vorgefertigtes Transformationsszenario durchlaufen hat, ergibt sich hieraus die erste für die Editionsarbeit relevante Datei: Die so genannte »transformierte Transkription«. Zwar mag diese auf den ersten Blick noch etwas unübersichtlicher erscheinen als noch die Transkription in Transkribus – ediarum.MEDIAEVUM bietet hierfür in der Werkzeugleiste die so genannte »codex-basierte Perspektive«, die die handschriftliche Struktur so abbildet, wie sie bereits aus Transkribus bekannt ist –, dennoch kann bereits an dieser Stelle ausgemacht werden, welche Wörter oder Zeichen mit tags versehen sind, so beispielsweise Initialen, rot eingefärbter Text, Personen und Orte; auch Abbreviaturen erscheinen bereits aufgelöst, Buchstaben wie das Schaft-s (»ſ«) oder das geschwänzte »ʒ« normalisiert.

Transformierte Transkription in codex-basierter Perspektive

Im so genannten »Textmodus«, der in der Symbolleiste links unten gewählt werden kann, kann nun auch erstmals eingesehen werden, wie es (auch schon in Transkribus) hinter den Kulissen aussieht: der in Code verpackte Text, der mit im XML-Format wiedergegebenen tags versehen ist. Die in das TEI-Format umgewandelte transformierte Transkription bildet die Handschrift also so ab, wie sie in Transkribus bearbeitet worden ist; sie ist es, die in dieser Form auf der Projekt-Website zur Verfügung gestellt wird.

Transformierte Transkription im Textmodus

Transformierte Editionstranskription und Editionsprozess

Da viele der in der transformierten Transkription enthaltenen Elemente für die nun folgenden Editionsschritte jedoch nicht relevant sind, muss diese in einem nächsten Schritt noch ein weiteres Transformationsszenario durchlaufen; auf diese Weise entsteht die so genannte »transformierte Editionstranskription«. Dennoch erscheinen auch nach diesem Schritt noch einige Fehlermeldungen, erkennbar an den rot eingefärbten Rechtecken rechts des Transkriptionstextes, und einige der tags sind – im Gegensatz zu dem reinen Transkriptionstext – mit den angestrebten Funktionsmöglichkeiten des späteren Editionstextes nicht kompatibel. Das letztendliche Ziel besteht also in einem kritischen Text, der nur noch die nötigsten tags und Anmerkungen enthält. Noch bevor an die Apparateinträge gedacht wird, muss zunächst ein Kapitel strukturiert und einige der tags bereinigt werden.

Unbearbeitete transformierte Editionstranskription

Erste Editionsschritte

Nach dem Anlegen des Kapitels – für den hier beispielhaft herangezogenen Psalmenkommentar besteht dieses grundsätzlich aus einem Psalm – wird dieses in einem ersten Editionsschritt so vorstrukturiert, wie es für die digitale Darstellung des Editionstextes am sinnvollsten erscheint: Grundsätzlich gliedern sich Kapitel in Absätze und Sätze, wobei jeder Psalmenvers, bestehend aus dem lateinischen Text sowie der Übersetzung bzw. Auslegung, einen Absatz bildet. Hiermit ist allerdings bereits angesprochen, welche tags die ersten sind, die in diesem Arbeitsschritt bereinigt werden: So wird beispielsweise der bereits in Transkribus gesetzte tag, der das lateinische Bibelzitat auszeichnet, mit den speziell von ediarum.MEDIAEVUM zur Verfügung gestellten Menübuttons überarbeitet und im Zuge dessen gleich der entsprechende Eintrag innerhalb des Quellenapparates vorgenommen. Darüber hinaus wird der gesamte Text in diesem Schritt hinsichtlich der Groß- und Kleinschreibung angepasst und mit moderner Interpunktion versehen, was für den lateinischen Text zudem die ständige Arbeit mit der interpunktierten Vulgata erfordert. Die erneute Arbeit mit dem Handschriften-Digitalisat wird beispielsweise für die Auszeichnung der Psalmenübersetzung notwendig, für die es je nach Handschrift sehr spezielle Methoden der Kennzeichnung gibt, um zwischen Übersetzung und Auslegung zu unterscheiden, so beispielsweise rote Unterstreichungen, die den Übersetzungsteil markieren. Jeder dieser Arbeitsschritte kann grundsätzlich sowohl über die Menübuttons von ediarum.MEDIAEVUM als auch über den Code selbst erfolgen.

Bearbeitete transformierte Editionstranskription

Diesen Prozesses begleitend kann der so erstellte Text zusätzlich mit der von ediarum.MEDIAEVUM bereitgestellten Leseansicht gegengeprüft werden, die den Text so darstellt, wie er später in der Edition für den Leser einsehbar sein wird: Die gesetzten tags und später auch die Apparateinträge sind hier allesamt verankert und lassen sich problemlos via Klick auf einen Button öffnen und schließen.

Bearbeitete transformierte Editionstranskription in der Leseansicht

Endergebnis Website

Der auf diese Art und Weise generierte Editionstext ist es schließlich, der zusammen mit den Handschriftendigitalisaten und den Transkriptionen auf der Projekt-Website zum Österreichischen Bibelübersetzer veröffentlicht wird. Letztere lassen sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt einsehen; die Editionstexte werden in Kürze folgen:

http://www.bibeluebersetzer-digital.de/

Zitiervorschlag
Domenic Peter, Karen Wenzel: Die Werke des Österreichischen Bibelübersetzers – von der Handschrift bis zur Edition, in: Mathias Kluge (Hg.), Mittelalterliche Geschichte. Eine digitale Einführung (2023). URL: https://mittelalterliche-geschichte.de/peter-domenic-wenzel-karen-01