Konzilsakten

von Johannes Kroh (Augsburg)

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Zu den ältesten Quellen der Geschichte des Christentums zählen die Aufzeichnungen von und über Treffen und Versammlungen herausgehobener Repräsentanten des Glaubens. Anlässe für diese Zusammenkünfte von Bischöfen, Klerikern und zum Teil auch von Laien reichten dabei von tagesaktuellen Problemen, die eine Reaktion verlangten, bis hin zu grundsätzlichen Fragen der kirchlichen Lehre. Die in diesen Kontexten entstandenen Dokumente und Texte werden als Konzilsakten bezeichnet.

Das I. Konzil von Konstantinopel 381, Darstellung in einer Predigtsammlung des Gregor von Nazianz, in: Bibliothèque nationale de France, Cod. Grec. 510, (Ausschnitt) fol. 355 v. (um 880)

 

1. Konzilien in der Geschichte

Das Wort Konzil leitet sich vom lateinischen concilium ab und bedeutet „Rat“ oder „Zusammenkunft“. Im Mittelalter wurde es als Synonym zum antiken, griechischen Begriff der Synode (σύνοδος: Treffen, Zusammenkunft) gebraucht. Die Unterscheidung in lokale Synoden und den Weltkreis betreffende Konzilien entstammt der Moderne. Wenngleich es keine sprachliche Abgrenzung gab, gewichteten mittelalterliche Gelehrte die einzelnen Synoden und Konzilien ihrer Bedeutung nach unterschiedlich. Eine historisch herausragende Stellung besitzen die sieben Ökumenischen Konzilien der Alten Kirche. Deren wegweisende Beschlüsse und Definitionen behandelten dogmatische Fragen wie das Glaubensbekenntnis, die Dreifaltigkeit, das Verhältnis von Mensch und Gott in Jesus Christus, die Rolle Marias oder die Verehrung von Bildern. Andere dort diskutierte Fragen betrafen den gelebten Glauben, strukturelle Probleme der Glaubensorganisation und -praxis sowie die Rolle der Kirche in der Welt. Die Konzilien schufen die dogmatischen Grundlagen des Christentums und wurden zu Wasserscheiden der Kirchengeschichte. Ihrem Selbstverständnis nach agierten die Konzilsväter dabei als Repräsentanten der gesamten christlichen Ökumene (vom griechischen οἰκουμένη: Weltkreis). Im Mittelalter wurde die Tradition der Ökumenischen Konzilien durch vom Papst geleitete Versammlungen, die mitunter als Generalkonzilien bezeichnet werden, fortgeführt, die für sich zwar allgemeine Geltung beanspruchten, jedoch außerhalb der lateinischen Welt keine oder kaum Beachtung fanden.

Die alte Kirche

Die Apostelgeschichte nach Lukas berichtet über das erste „Konzil“ der Apostel in Jerusalem. Als ein kollegiales Beispiel nahm es noch in der heidnischen Antike die Tradition gemeinsamen Entscheidens in strittigen Punkten durch Dialog vorweg. Mit der zunehmenden Ausbreitung des Christentums in nachapostolischer Zeit ergaben sich schließlich immer neue überregionale Fragen und Konflikte. Diese bedurften bei ihrer Beurteilung und Lösung eines breiten Konsenses seitens der Bischöfe, die nun als Nachfolger der Apostel und Aufseher ihrer Gemeinden an Synoden und Konzilien teilnahmen.

Die Duldung des Christentums unter Konstantin und dessen Erklärung zur Staatsreligion unter Theodosius förderten die Debattenkultur der Kirche. Die Kaiser griffen aktiv in diese ein, da es in ihrem und dem öffentlichen Interesse lag, strittige Fragen zu lösen. Hierfür beriefen die Herrscher der langen Spätantike bis 787 zahlreiche reichsweite Synoden ein, von denen sieben in der griechischen und lateinischen Kirche, mitunter jedoch erst nach zähem Ringen und mit mehreren Jahrzehnten bis Jahrhunderten Abstand, als allgemeinverbindlich und ökumenisch anerkannt und rezipiert wurden. Diese sieben Konzilien tagten alle im östlichen Reich und wurden durch die Kaiser oder einen Stellvertreter geleitet. Ihre Beschlüsse wurden als Reichsgesetze veröffentlicht.

Regionalen und lokalen Charakter hatten Partikular-, Provinz- und Diözesansynoden, die zweimal jährlich zusammenkommen sollten. Gekennzeichnet waren diese durch geographisch engere Bezüge und Teilnehmer. Ihre Beschlüsse konnten hingegen überregionale Bedeutung gewinnen. Oftmals sind diese Zusammenkünfte nur durch das Schriftgut Dritter überliefert. Bereits für das 2. Jahrhundert existieren Hinweise auf erste Synoden im griechischen Osten wie auch im lateinischen Westen. Bruchstücke von Akten, die teilweise in ihrer Echtheit umstritten sind, existieren ab dem 3. Jahrhundert und authentische und im Wortlaut erhaltene Kanones – das sind die unter anderem als Disziplin- und Rechtsnormen überlieferten Beschlüsse der Synoden und Konzilien – ab dem 4. Jahrhundert.

Die Lateinische Kirche des Mittelalters

Die langsam einsetzende Entfremdung zwischen der lateinischen und griechischen Kirche hat ihre Spuren in der Überlieferung der Konzilsakten hinterlassen. Das IV. Konzil von Konstantinopel gab es gewissermaßen zweimal: Im Westen wurden hauptsächlich die Akten des Konzils von 869/70 rezipiert, die eigentlich am selben Ort 879/80 kassiert worden waren. Im Osten wurde nur dieses zweite Treffen anerkannt. Beide Konzilien waren die letzten, die formal von allen fünf Patriarchaten der Alten Kirche – Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem – besucht wurden und (allgemeine) Anerkennung fanden.

Patriarch Photios von Konstantinopel wird durch päpstliche Gesandte 861 anerkannt. Der folgende Streit um diese Anerkennung zog sich in Folge fast 20 Jahre, in: Ioannis Skylitzes, Synopsis Historion, Madrid, Biblioteca Nacional de España, MS Graecus Vitr. 26–2, (Ausschnitt) fol. 107 r. (Skylitzes Matritensis, Ende 12. Jahrhundert)

Das alleinige Vorrecht der Päpste, rechtmäßige Universalkonzilien einzuberufen, war bereits in der Rechtssammlung des Pseudo-Isidor aus dem 9. Jahrhundert deklariert, wurde jedoch im Zuge der wissenschaftlichen Systematisierung des westlichen Kirchenrechts zunehmend als unumgänglich angesehen. Die seit dem 12. Jahrhundert päpstlich einberufenen Konzilien behandelten weit weniger dogmatische Themen als die Zusammenkünfte des ersten Jahrtausends, sondern meist aktuelle Fragen der kirchlichen Ordnung vom Papstwahlgesetz bis hin zur Vergabe regionaler kirchlicher Ämter und Benefizien, der Zulassung religiöser Orden oder des Verbotes häretischer Gruppen und Lehren. Zu den weitreichendsten Themen des Spätmittelalters gehörten die Reunion mit den Kirchen byzantinischer Tradition, eine umfassende Reform der Kirche „an Haupt und Gliedern“ und das Verhältnis von Papst und Konzilien an sich.

Synoden im Wandel der Zeit

Überregionale Konzilien und lokale Synoden gab es das ganze Mittelalter hindurch auf allen höheren Ebenen der Kirche (Bistum, Erzbistum, Kirchenprovinz). Für das Frankenreich ist für das Jahr 511 in Orléans die erste Reichssynode überliefert. Eine erste Hochphase der regionalen und überregionalen Synodaltätigkeit wurde im 9. Jahrhundert im Rahmen der karolingischen Renaissance erreicht. In ottonischer und salischer Zeit wurden lokale Synoden seltener, vor allem gab es Zusammenkünfte der Reichsbischöfe mit Themenschwerpunkten aus den Bereichen der Rechtsprechung und Verwaltung. Eine verstärkte Tätigkeit der Synoden kann als Folge des Investiturstreits und der Kirchenreform im 11. und 12. Jahrhundert beobachtet werden. Mit der Kodifizierung des Kirchenrechts (Decretum Gratiani ab 1140 und Ergänzungen bis 1327) verloren Synoden ihren Charakter als rechtsetzende Versammlungen. Nur noch die Entscheidungen der Päpste und der von diesen einberufenen Konzilien konnten neues allgemeingültiges Recht schaffen.

Papst Urban II. predigt auf der Synode von Clermont 1095 den Ersten Kreuzzug, in: Passages d' Outremer, Bibliothèque nationale de France Cod. Fr. 5594, (Ausschnitt) fol. 19 r. (Illumination durch Jean Colombe, um 1474)

Spätmittelalterliche Bischofssynoden dienten einerseits zur Veröffentlichung und Unterrichtung über besagtes neues Recht und erließen andererseits diesbezügliche ausführende Bestimmungen in Form von Statuten. Diese Partikularrechte waren jedoch abhängig von der päpstlichen Bestätigung. Am Ende des Mittelalters erfüllten Diözesansynoden mehrere Zwecke: Sie erließen Beschlüsse über Disziplin, Kirchenzucht und -reform und dienten als Gerichts- und Repräsentationsorte der Bischöfe sowie als ihre Herrschaftsinstrumente. Gleichwohl konnten päpstliche Legaten mit einem entsprechenden Mandat jederzeit vor Ort Synoden einberufen oder leiten, um Ordnungsvorstellungen durchzusetzen oder lokalen Missständen entgegenzuwirken.

2. Aktenmaterial

Trotz ihrer großen Bedeutung haben die Konzilsakten als eigene Quellengattung wenig Aufmerksamkeit in der Forschung erhalten. Dies könnte auch an der Vielfalt und der Vielzahl der überlieferten Texte liegen. Die Kopisten des Mittelalters, denen wir die Überlieferung der Akten verdanken, kompilierten nämlich verschiedenste Schriften miteinander, die dann miteinander verschränkt gelesen wurden. So ist noch immer unklar und nicht definiert, was genau Konzilsakten sind und welche traditionell gemeinsam überlieferten Dokumente originär dazu zählen und welche nicht.

Zeitlich lassen sich drei verschiedene Phasen der Aktenproduktion unterscheiden. Es gibt erstens Texte, die vor der ersten Sitzung eines Konzils entstanden sind, etwa Einberufungs- und Einladungsschreiben sowie Materialsammlungen für die vorgesehenen Debatten, zweites solche, die während den Sitzungen niedergeschrieben wurden, etwa Verhandlungsprotokolle, Reden, Predigten, Teilnehmerlisten und die eigentlichen Beschlüsse, sowie drittens post-konziliare beziehungsweise -synodale Schreiben. In jeder dieser drei Phasen konnten Briefe entstanden sein, die im Laufe der Zeit durch Redaktionen zu Bestandteilen der Akten wurden. Erzählende Quellen über die Geschehnisse können als Ergänzung der Konzilsakten gelesen werden.

Konzilsprotokolle der Alten Kirche 

Inhaltsverzeichnis der Akten des II. Konzils von Konstantinopel 553, in: Paris, Bibliothèque nationale de France, Cod. Lat. 16832 (Notre Dame 88), fol. 125 r. (9. Jahrhundert)

Die wortgetreue Niederschrift von Sprechanteilen in den Verhandlungsprotokollen ist spezifisch für die Konzilien der Alten Kirche und steht in der Tradition der römischen Zivilverwaltung, der Gerichte und des Senats. Erste Protokolle sind für das Konzil von Ephesus 431 fragmentarisch überliefert. Sie entstanden als notarielle Mitschriften immer dann, wenn das Konzil als ein Kirchengericht fungierte. Sie erfüllten somit die Notwendigkeit der formalen Korrektheit und der Nachvollziehbarkeit für den späteren Leser. So lässt sich ihr regelmäßiger Umfang von mehreren hundert Folioseiten erklären. Im Einzelfall ging es aber auch anders: Jüngste Forschungen konnten zeigen, dass hunderte Aktenseiten der Lateransynode von 649 als „Schreibtischarbeit“ entstanden sind. Theologische Entscheidungen wurden hingegen an „Arbeitsgruppen“ delegiert. Eingang in das Protokoll fand dann nur noch das verlesene Ergebnis dieser separaten Beratungen.

Alle Protokolle der Ökumenischen Konzilien der Alten Kirche wurden ursprünglich auf Griechisch verfasst. Zeitgenössische sowie spätere Übersetzungen in das Lateinische waren jedoch üblich – die Akten des II. Konzil von Konstantinopel 553 wurden etwa nur in Übersetzung überliefert. Bereits bei ihrer Entstehung existierte eine begriffliche Differenzierung zwischen den Protokollen (ὑπομνήματα: Aufzeichnungen, übertr. Memoiren; lateinisch: memorandum) als Mitschriften der offiziellen Stenographen und den fertigen Akten als Konglomerat aller Dokumente (Bezeichnung als πράξεις: Taten, Akten; lateinisch: acta, gesta).

Synodalakten des Früh- und Hochmittelalters 

Die Synodalakten des lateinischen Früh- und Hochmittelalters zeichnen sich vornehmlich durch ihre Einfachheit aus. Oftmals sind nur ihre Kanones, teilweise auch nur fragmentarisch, überliefert, gelegentlich auch weitere Dokumente, die vor oder während den Sitzungen entstanden sind. Diese werden durch nachträglich verfasste, erzählende Berichte von Teilnehmern oder Dritten ergänzt. Hinweise auf eine offizielle Protokollführung, wie sie in der Alten Kirche und dem byzantinischen Osten üblich war, gibt es erst wieder ab dem 14. Jahrhundert. Für das darauffolgende Jahrhundert der auch juristisch betriebenen Kirchenreform ist die Überlieferungssituation dank der Durchsetzung des Notariats ungleich besser und bei weitem vielfältiger, da nun mitunter volkssprachliche private und städtische Aufzeichnungen, Tagebücher, Briefe und inoffizielle Mitschriften die lateinischen, protokollarischen Arbeiten in Form von umfangreichen Akten und Protokollen ergänzen.

Nachwirkung und Überlieferungsprobleme der Akten

Die in den Konzils- und Synodalakten greifbaren theologischen Debatten grundsätzlicher Glaubens- und Lebensfragen prägen die kirchliche Lehre bis heute. Die juristischen Entscheidungen und Normen sind ebenfalls teilweise bis heue gültig und fanden Eingang in das Kirchenrecht, aber auch in die profanen Rechtstraditionen der westlichen Welt, insbesondere in den Bereichen des Prozess-, Straf-, Eherechts und der Rechtsphilosophie.

Es ist nicht selbstverständlich, dass Ökumenische Konzilien als solche anerkannt werden. Insbesondere die dogmatischen Beschlüsse der Konzilien des 4. und 5. Jahrhunderts führten zur Entstehung neuer Konfessionen, die ihre Zustimmung zu den dort gefassten Definitionen verweigerten. Die historische Glaubensgruppe der Arianer (aktiv etwa 320 bis 750) lehnte die bereits 325 in Nikaia verkündete Wesensgleichheit von Gott Vater und Gott Sohn ab. Diese Alternative zum römischen Christentum fand vor allem unter den germanischen Stämmen wie den Goten und Langobarden weite Verbreitung. Weiteren Herausforderungen sah sich die römische Reichskirche im 5. Jahrhundert gegenübergestellt. Auslöser waren Fragen nach dem Verhältnis von Gott und Mensch in Christus. Als Folgen der 431 in Ephesus und 451 in Chalkedon tagenden Konzilien kam es zu Brüchen mit den Christen Persiens, der heutigen Assyrischen Kirche des Ostens, und Christen Armeniens, Syriens und Ägyptens, den heutigen altorientalischen Kirchen. Versöhnungsversuche scheiterten immer wieder und spätestens mit der islamischen Expansion im 7. Jahrhundert brach der Kontakt zur orthodox-katholischen Reichskirche ab. Die Konzilsakten bieten somit die Chance, die Entstehung der verschiedenen Konfessionen nachzuvollziehen und Ansatzpunkte für interkulturelle Dialoge zu finden.

Akten nachträglich annulierter Konzilien

Vormals als ökumenisch bezeichnete Konzilien, deren Beschlüsse im Nachhinein annulliert wurden, besitzen ihre ganz eigenen Überlieferungsprobleme. Mit der Kassation der Akten ging nämlich in der Regel auch deren Vernichtung einher. In diesem Zusammenhang berühmt sind das II. Konzil von Ephesus 449, das bereits 451 als „Räubersynode“ annulliert wurde, das Konzil von Hiereia 751, das die Verehrung aller Bilder untersagte und 787 kassiert wurde, die Konzilien von Konstantinopel in den Jahren 861 und 867 (beide kassiert 869/70) und das von 869/70 (kassiert 879/880) sowie das Konzil von Pisa 1409, das erst im 20. Jahrhundert seine formale Geltung verlor. In seltenen Fällen sind die kompletten Akten nach ihrer Kassation (oft in Übersetzungen) erhalten geblieben. In anderen Fällen muss der jeweilige Text aus Zitaten der Gegenseite rekonstruiert oder die Beschlüsse anhand beschreibender Quellen nachvollzogen werden.

Das Konzil von Pisa verbrennt 1409 die Puppen der Gegenpäpste, in: Diepold Schilling, Amtliche Berner Chronik, Vol. 1, Bern, Burgerbibliothek, Mss.h.h.l.1, (Ausschnitt) S. 312 (Ende 15. Jahrhundert)

3. Editionen und Übersetzungen

Symbolische Darstellung des I. Konzils von Nikaia 325, in: Schedelsche Weltchronik, München, Bayerische Staatsbibliothek, Rar. 287, (Ausschnitt) fol. 130 v. (15. Jahrhundert)
Die ältesten Bände der ACO, Foto: Anatoli Oskin © Univ. Augsburg

Seit dem Humanismus des 15. Jahrhunderts bemühten sich Editoren um den korrekten Text der Konzilsakten. Deren erste Drucke entstanden in der Frühzeit des Buchdrucks (Inkunabeln). Mit der Reformation und Gegenreformation wuchs das Interesse an der kirchengeschichtlichen und theologischen Bedeutung der Akten weiter an. Die bis heute umfassendste Editionsreihe wurde von Kardinal Giovanni Domenico Mansi im 18. Jahrhundert begründet. Wenngleich er seine handschriftlichen Quellen nicht nannte, ist seine Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio bis heute ein Standard- und Referenzwerk und bietet oftmals die einzige gedruckte Fassung der Aktentexte. Die Reihe wurde nach Mansis Tod 1769 fortgeführt und veröffentlichte bis 1927 die Texte von Synoden und Konzilien bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.

Kritische Editionen der altkirchlichen Akten besorgt seit dem 20. Jahrhundert die Kirchenväter-Kommission der Berlin-Brandenburgischen (ehemals Preußischen) Akademie der Wissenschaften. Unter Federführung von Eduard Schwartz und fortgeführt von Johannes Straub entstand die Reihe Acta conciliorum oecumenicorum (ACO). In dieser werden seit 1914 die griechischen und lateinischen Konzilsakten der langen Spätantike veröffentlicht. Die Akten des ersten IV. Konzils von Konstantinopel 869/70 wurden nach Vorarbeiten von Claudio Leonardi posthum 2012 in Florenz veröffentlicht.

Die unvollständigen Acta concilii Pisani (1409) wurden 1938 durch Johannes Vincke ediert. Die Akten von Konstanz (1414–1418) erfuhren ihre Edition durch Heinrich Finke, Johannes Hollnsteiner und Hermann Heimpel in den Jahren 1896 bis 1928 in Münster und die des Basler Konzils (1431–1449) in acht Bänden durch Johannes Haller et al. ebenda zwischen 1896 und 1936. Das Pontificium Institutum Orientalium Studiorum veröffentlichte die Akten des Konzils von Ferrara-Florenz-Rom (1438–1445) in elf Bänden ab dem Jahr 1940. Aufgrund der enormen Quellenbreite und -vielfalt des 15. Jahrhunderts tauchen immer wieder neue Texte auf, die zu den Konzilsakten zu rechnen sind.

Die Kanones der lateinischen (bis zum II. Vaticanum 1965) und griechischen (bis zum Konzil von Kreta 2016) Konzilien und wichtigsten orthodoxen Synoden erfuhren in der Reihe Corpus Christianorum seit 2006 eine weitere, separate Edition. Sie sind in der Serie Conciliorum oecumenicorum generaliumque decreta, herausgegeben von Giuseppe Alberigo und Alberto Melloni, zu finden. Für 2022 sind die Kanones der Konzilien der altorientalischen Kirchen Armeniens, Syriens und Äthiopiens angekündigt.

Englische Übersetzungen der altkirchlichen Konzilsakten werden seit 2005 von Richard Price in der Reihe Translated Texts for Historians publiziert. Dieser liegt die Edition der Acta conciliorum oecumenicorum zugrunde. Nachdem die Übersetzung der Akten des Konzils von 869/70 für April 2022 angekündigt wurde, fehlen in der Reihe nur mehr die Texte des III. Konzil von Konstantinopel 680/681.

4. Forschungsfelder

Die Konzilsakten ermöglichen vielfältige Forschungsansätze. Sie gewähren Einblicke in die Kirchen-, Ideen- und Geistesgeschichte der Spätantike und des Mittelalters. Ferner überliefern sie Strukturen des Sozial- und Rechtsgefüges der damaligen Gesellschaften sowie Spuren des Verhältnisses von Autorität und Kollegialität als Form vor-demokratischer Konsensfindung. Bei der Analyse ist das Spannungsfeld zwischen der durch privilegierte Teilnehmer der Konzilien diktierten Normierung und der Realität derjenigen zu berücksichtigen, deren Leben reguliert wurde. Alltägliche Aspekte und ausführliche Hinweise zur praktischen Umsetzung der Zusammenkünfte sind erst ab dem 15. Jahrhundert überliefert.

Das traditionelle Forschungsinteresse der Konziliengeschichtsschreibung gilt den Ökumenischen Konzilien. Die lokalen Synoden erhielten merklich weniger Aufmerksamkeit. Für die Versammlungen des Spätmittelalters gilt dies umso eindrücklicher: Oft gibt es neben einer (sofern vorhanden) Edition der Beschlüsse keine oder kaum Forschungen zu ihrer Vorgeschichte und ihren Folgen.

Zitiervorschlag
Johannes Kroh: Konzilsakten, in: Mathias Kluge (Hg.), Mittelalterliche Geschichte. Eine digitale Einführung (2022). URL: https://mittelalterliche-geschichte.de/kroh-johannes-01